Energiewende

Die Einbindung von Solarstrom und Windenergie erfordert auch neues Denken: z. B. kann durch Laststeuerung auf Verbraucherseite und die stärkere Nutzung von Smart Grids die Stromnachfrage flexibilisiert werden.[1]
Elektrisch betriebene Wärmepumpenheizungen stellen eine wichtige Säule eines zukünftigen sektorübergreifend vernetzten, flexiblen Energiesystems dar.[2]
Neue Technologien wie das Elektroauto und neue Konzepte zur Nutzung wie das Carsharing sind Themen bei der Energiewende.

Energiewende ist der deutschsprachige Begriff für den Übergang von einer nicht-nachhaltigen Nutzung fossiler Energieträger und der Kernenergie zu einer nachhaltigen Energieversorgung mittels erneuerbarer Energien.[3] Der Begriff wurde nach dem 1980 erschienenen Buch Energiewende – Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran des Öko-Instituts[4][5] kulturell rezipiert und teilweise als Lehnwort[6] in andere Sprachen übernommen (beispielsweise „The German Energiewende“ oder „A Energiewende alemã“).

Ziel der Energiewende ist, die von der konventionellen Energiewirtschaft verursachten ökologischen, gesellschaftlichen und gesundheitlichen Probleme zu minimieren und die dabei anfallenden, bisher im Energiemarkt kaum eingepreisten, externen Kosten vollständig zu internalisieren. Angesichts der maßgeblich vom Menschen verursachten Globalen Erwärmung ist heutzutage besonders die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft durch Beendigung der Nutzung von fossilen Energieträgern wie Erdöl, Kohle und Erdgas von Bedeutung. Ebenso stellen die Endlichkeit fossiler Energieträger sowie die Gefahren der Kernenergie wichtige Gründe für die Energiewende dar.[7] Die Lösung des globalen Energieproblems gilt als zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts.[8][9]

Die Energiewende umfasst die drei Sektoren Strom, Wärme und Mobilität, ferner auch die perspektivische Abkehr von fossilen Rohstoffen etwa zur Herstellung von Kunststoff oder zur Stickstoffdünger-Synthese (Haber-Bosch-Verfahren). Ein mit der Energiewende verbundener Kohle- und Ölausstieg bedeutet auch, dass wesentliche Mengen dieser vorhandenen Energieträger nicht gefördert werden dürfen.[10] Wesentliche Elemente der Wende sind der Ausbau der erneuerbaren Energien, verbunden mit dem Aufbau von Energiespeichern, die Steigerung der Energieeffizienz sowie Energieeinsparung. Zu den erneuerbaren Energien zählen Bioenergie, Erdwärme, Wasserkraft, Meeresenergie, Sonnenenergie (Solarthermie, Photovoltaik) und Windenergie.[11] Konzeptionell kommt nach Ansicht von Experten der Sektorenkopplung eine wichtige Rolle zu, insbesondere der Elektrifizierung des Wärmesektors mittels Wärmepumpen und des Verkehrswesens durch Elektromobilität.[12]

Der Übergang von konventionellen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien ist in vielen Staaten der Welt im Gang (Energiewende nach Ländern). Wobei Länder wie Frankreich[13], Finnland[14], Polen[15] und Südkorea[16] in ihren Versionen der Energiewende zusätzlich auf die Unterstützung durch Kernkraft setzen. Die Internationale Energieagentur (IEA) betonte Anfang 2024 die Rolle, welche die grundlastfähige Kernenergie bei der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen spielen könne.[17]

Die Konzepte für die Energiewende, wie auch die dafür in Frage kommenden Technologien, sind bekannt.[18] Aus technischer Sicht wurde bereits 2011 eine vollständige weltweite Energiewende bis 2030 für realisierbar gehalten.[19] Politische und praktische Probleme lassen jedoch erst eine Umsetzung bis 2050 möglich erscheinen, wobei das Fehlen politischen Willens als größte Hürde erachtet wird.[20] Sowohl auf globaler Ebene als auch für Deutschland kamen Studien zu dem Ergebnis, dass die Energiekosten in einem regenerativen Energiesystem auf gleichem Niveau wie in einem konventionellen fossil-nuklearen Energiesystem lägen[21][22] oder günstiger sein würden.[23][24] Weltweit werden hierbei gesamtwirtschaftliche Gewinne durch einen schnellstmöglichen Wechsel zu erneuerbaren Energien selbst ohne Einbeziehung erwartbarer Schäden durch Klimafolgen auf 12 Billionen US-Dollar geschätzt.[25]

Als Pionier der Energiewende gilt Dänemark, das im Jahr 2012 bereits 30 % seines Strombedarfs mittels Windenergie deckte. Bis 2050 strebt Dänemark eine vollständig regenerative Energieversorgung in allen drei Sektoren an.[26] Internationale Aufmerksamkeit und Zustimmung, aber auch Skepsis und Kritik zog die Ankündigung Deutschlands auf sich, sowohl aus fossilen als auch aus nuklearen Energieträgern auszusteigen.[27] Obwohl sie zu Unrecht häufig mit dem zweiten Atomausstieg 2011 verbunden wird, begann die Energiewende in Deutschland bereits in den 1980er Jahren mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Suche nach Alternativen zu Kernkraftwerken.[28] Während über die grundsätzliche Notwendigkeit des Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Steigerung der Energieeffizienz und der Einsparung von Energie in der Wissenschaft Einigkeit herrscht, sind die konkreten Maßnahmen oft politisch umstritten. Die öffentliche Diskussion reduziert den Begriff der Energiewende häufig auf den Stromsektor, welcher in Deutschland nur rund 20 % des Energieverbrauchs umfasst. Ebenso wird in der politischen und öffentlichen Debatte oft nicht beachtet, dass zum Gelingen der Energiewende neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz auch Verhaltensänderungen im Sinne von Energiesuffizienz erforderlich sind, d. h. Energieeinsparung durch eine Veränderung der Konsumgewohnheiten.[29]

  1. Nicola Armaroli, Vincenzo Balzani: Towards an electricity-powered world. In: Energy and Environmental Science. Bd. 4, 2011, S. 3193–3222, S. 3203 doi:10.1039/c1ee01249e.
  2. M.A. Sayegh et al. Heat pump placement, connection and operational modes in European district heating. In: Energy and Buildings Bd. 166, 2018, S. 122–144, S. 128f. doi:10.1016/j.enbuild.2018.02.006
  3. Aviel Verbruggen: Could it be that Stock-Stake Holders Rule Transition Arenas? in: Achim Brunnengräber, Maria Rosaria du Nucci (Hrsg.): Im Hürdenlauf zur Energiewende. Von Transformationen, Reformen und Innovationen. Zum 70. Geburtstag von Lutz Mez, Wiesbaden 2014, 119–133, S. 120.
  4. Energiewende in Deutschland: Definition, Ziele und Geschichte
  5. Roland Roth: Kommunalpolitik. ISBN 978-3-322-93826-8, S. 664 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Welcome To The Energiewende: The Movie
  7. Florian Lüdeke-Freund, Oliver Opel: Energie, in: Harald Heinrichs, Gerd Michelsen (Hrsg.): Nachhaltigkeitswissenschaften, Berlin / Heidelberg 2014, S. 429.
  8. Philippe Poizot, Franck Dolhem: Clean energy new deal for a sustainable world: from non-CO2 generating energy sources to greener electrochemical storage devices. In: Energy and Environmental Science. Bd. 4, 2011, 2003–2019, S. 2003, doi:10.1039/c0ee00731e.
  9. Nicola Armaroli, Vincenzo Balzani: The Future of Energy Supply: Challenges and Opportunities. In: Angewandte Chemie International Edition. Bd. 46, 2007, S. 52–66, S. 52, doi:10.1002/anie.200602373.
  10. Christophe McGlade, Paul Ekins: The geographical distribution of fossil fuels unused when limiting global warming to 2 °C. In: Nature. Bd. 517, 2015, 187–190, doi:10.1038/nature14016.
  11. Internationale Organisation für erneuerbare Energien: Definition nach Artikel III der Satzung vom 26. Januar 2009 (BGBl. II S. 634, 635, zweisprachig).
  12. Geoffrey P. Hammond, Peter J.G. Pearson: Challenges of the transition to a low carbon, more electric future: From here to 2050. In: Energy Policy. Bd. 52, 2013, 1–9, S. 6, doi:10.1016/j.enpol.2012.10.052.
  13. 14 Reaktoren auf einmal: Was hinter Frankreichs neuem Akw-Plan steckt. In: Focus Online. 10. Januar 2024, abgerufen am 17. Februar 2024.
  14. Angelika Nikionok-Ehrlich: Finnland meistert Energiekrise mit Wind und Kernkraft. In: VDI Nachrichten. 22. Dezember 2022, abgerufen am 17. Februar 2024.
  15. Aleksandra Fedorska: Energiewende auf Polnisch – Warschau plant 79 kleine Atomkraftwerke bis 2038. In: Handelsblatt. 18. September 2023, abgerufen am 17. Februar 2024.
  16. Martin Kölling: Energiewende: Süd Korea steigt aus dem Atomausstieg aus. In: Handelsblatt. 5. Juli 2022, abgerufen am 17. Februar 2024.
  17. dpa-AFX: IEA will Energiewende weiter vorantreiben - auch mit Kernkraft. In: FinanzNachrichten.de. 14. Februar 2024, abgerufen am 17. Februar 2024.
  18. Volker Quaschning: Regenerative Energiesysteme. Technologie – Berechnung – Simulation. 9. aktualisierte Auflage. München 2015, S. 56.
  19. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Jacobson Part I.
  20. Nicola Armaroli, Vincenzo Balzani: Towards an electricity-powered world. In: Energy and Environmental Science. Bd. 4, 2011, S. 3193–3222, S. 3216, doi:10.1039/c1ee01249e.
  21. Mark A. Delucchi, Mark Z. Jacobson: Providing all global energy with wind, water, and solar power, Part II: Reliability, system and transmission costs, and policies. In: Energy Policy 39, Vol. 3, 2011, S. 1170–1190, doi:10.1016/j.enpol.2010.11.045.
  22. Andreas Palzer, Hans-Martin Henning: A comprehensive model for the German electricity and heat sector in a future energy system with a dominant contribution from renewable energy technologies—Part II: Results. In: Renewable and Sustainable Energy Reviews. Bd. 30, 2014, 1019–1034, S. 1027, doi:10.1016/j.rser.2013.11.032.
  23. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Deng 118.
  24. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Hohmeyer 91f.
  25. Rupert Way, Matthew C. Ives, Penny Mealy, J. Doyne Farmer: Empirically grounded technology forecasts and the energy transition. In: Joule. September 2022, S. S254243512200410X, doi:10.1016/j.joule.2022.08.009 (elsevier.com [abgerufen am 15. September 2022]).
  26. Benjamin Biegel, Lars Henrik Hansen, Jakob Stoustrup, Palle Andersen, Silas Harbo: Value of flexible consumption in the electricity markets. In: Energy. Bd. 66, 2014, S. 354–362, hier S. 354, doi:10.1016/j.energy.2013.12.041.
  27. Nathalie Grün, Tonja Iten, Felix Nipkow: Energiewende im Faktencheck. Hrsg.: Schweizerische Energie-Stiftung. Zürich Dezember 2019, S. 6 (energiestiftung.ch [PDF]).
  28. Ulrike Fettke, Gerhard Fuchs, Incumbent-Challenger-Interaktionen und die Veränderungen im Markt für Stromerzeugung und -verteilung in Deutschland, in: Sebastian Giacovelli (Hrsg.): Die Energiewende aus wirtschaftssoziologischer Sicht. Theoretische Konzepte und empirische Zugänge. Wiesbaden 2017, 15–44, S. 22.
  29. Felix Ekardt: Theorie der Nachhaltigkeit Baden-Baden 2011, S. 379; Günther Brauner: Energiesysteme: regenerativ und dezentral. Strategien für die Energiewende. Wiesbaden 2016, S. 184; Vgl. auch Viktor Wesselak, Thomas Schabbach, Thomas Link, Joachim Fischer: Handbuch Regenerative Energietechnik. Berlin/Heidelberg 2017, S. 36–38.

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